Baden Powell
Lord Robert Stephenson Smyth Baden-Powell, Baron of Gilwell
auch BiPi. genannt kam am 22.2.1857 zur Welt und wuchs wohlbehütet in einem feinen Londoner Viertel auf. Als er 3 Jahre alt war, starb sein Vater (Professor für Theologie und Geometrie an der Universität Oxford). Nun übernahm sein Großvater Admiral Smyth die Rolle des Erziehers.
1870 tritt er in das renommierte Charterhouse-College ein, wo er mit seinen in früher Kindheit erworbenen Kenntnissen seine Mitschüler verblüfft. Ebenso lieferte er sich mit seinen Erziehern ein „Versteckspiel“, denn die Schulleitung verbat solche Ausflüge abseits der Wege. Diese so erworbenen Erfahrungen kamen ihm später in Afrika zugute. Er schaffte den Abschluss nach sechs Schuljahren mehr schlecht als recht. Im gleichen Jahr hatte sich BiPi bei der ältesten und angesehensten Militärakademie Englands, Sandhurst, eingeschrieben. Es war ein Ausbildungsstätte für Eliteoffiziere, war berüchtigt für ihre strenge Aufnahmeprüfung, pro Jahr wurden nur 40 neue Anwärter angenommen. Die Aufnahmeprüfung besteht er jedoch als Zweitbester und wird auf seinen Wunsch sofort nach Indien verlegt.
Mit dem 13. Hausregiment konnte Baden-Powell nach Indien fahren. Dort fiel er auf, weil er nicht wie seine Kameraden sein Geld in Bars verschwendete, sondern sich in der freien Natur vergnügte. Sein Freund E. E. Reynolds schrieb: „Am liebsten schlich sich BiPi in den Dschungel. Dort lag er regungslos und beobachtete die wilden Tiere, wie sie zur Tränke zogen – den Hirsch, den Schakal, den Eber und den Bären.“ Er war überall unter dem Namen BiPi bekannt (seine Initialen B.P. englisch ausgesprochen). Seine Talente kamen auch den Vorgesetzten zu Ohren. Sie übertrugen ihm die Ausbildung der Scouts, der Pfad-Finder, die nicht im offenen Kampf eingesetzt wurden, sondern das gegnerische Lager auskundschaften mussten. Baden-Powell hielt sich bei der Ausbildung der Scouts nicht an herkömmliche Methoden, sondern zeigte seinen Schützlingen spielerisch, wie sie sich zu verhalten hatten. Er erklärte ihnen, was der Zweck ihrer Arbeit war, und er versuchte, ihnen die Freude an der Tätigkeit zu zeigen. Er gab keine strikten Anordnungen, sondern nur Tipps und Anregungen, die zur Lösung eines Problems halfen. Er hielt keine langen Vorträge über seine eigenen Erfahrungen, denn er wollte, dass seine Schützlinge aus ihren eigenen Erfahrungen lernten. „Learning By Doing“ nannte er dieses System. Baden-Powell überzeugte – und führte -, indem er ein Vorbild gab!
1899 erschien Baden-Powells erstes Buch „Aids For Scouting“. Er empfahl es dem englischen Generalstab als allgemeine Ausbildungslektüre.
Im selben Jahr wurde Baden-Powell nach Afrika versetzt. Er sollte dort, in Mafeking, einer kleinen Frontstadt, britische Soldaten für den Dschungelkampf ausbilden. Am 11. Oktober 1899 wurde die kleine Stadt von 9000 Buren umzingelt. In Mafeking selber befanden sich ausser Frauen, Kindern und Jugendlichen nur 700 ausgebildete Soldaten und etwa 300 Zivilisten. Baden-Powell war entschlossen, die Stadt zu verteidigen. Er verteidigte die Stadt nicht mit Gewalt sondern mit List, indem er den Buren eine viel grössere Anzahl Soldaten und Munition vortäuschte. Die Buren wagten nicht, anzugreifen. Im Mai 1900 wurde Mafeking befreit. Baden-Powell war es gelungen, die Stadt 217 Tage zu verteidigen. Damit die Soldaten für den Ernstfall immer bereit waren, überliess er den Jungen aus der Stadt leichtere militärische Aufgaben. Sie konnten als Sanitäter, als Meldegänger und als Späher eingesetzt werden. Dabei stellte Baden-Powell zu seiner Verblüffung fest, dass auch die Jungen Verantwortung übernehmen konnten, wenn man ihnen nur das nötige Vertrauen entgegenbrachte.Diese Erkenntnis war damals revolutionär, da die Pädagogen zu dieser Zeit den Jugendlichen noch kein Vertrauen entgegenbrachten. Man glaubte, dass man die Jungen und Mädchen nur unter sehr strengen Bedingungen erziehen könne. Dass heutzutage die Lehrer die Jugendlichen als ernst zu nehmende Partner behandeln, ist nicht zuletzt Baden-Powells Erkenntnis zu verdanken.
Nach diesem Krieg wurde Baden-Powell nach England zurückbeordert. Er wurde zum General befördert und mit dem Kreuz des Bath-Ordens ausgezeichnet. Schon bei seiner Ankunft stellte er fassungslos fest, dass er ein Held geworden war. Die englischen Zeitungen hatten von der Belagerung Mafekings berichtet. Ganz England hatte den spannenden Kampf um Mafeking verfolgt. Besonders die Jungen waren begeistert von Baden-Powell. Sein Buch „Aids For Scouting“ war ein Jugendbuch-Bestseller geworden. Baden-Powell war gar nicht glücklich darüber, denn es war ein militärisches Buch. Als Mann, der den Frieden liebte, wollte er nicht, dass ein derartiges Buch in die Hände der Jungen kam. Die Entwicklung war jedoch nicht mehr rückgängig zu machen, da beschloss Baden-Powell ein zweites Buch zu schreiben. Dieses Buch wollte er „Scouting For Boys“ nennen.
Baden-Powell las ein Buch seines Freundes Rudyard Kipling. Das Buch hiess „Kim“. Er war von diesem Buch tief beeindruckt, denn es bestätigte seine Erkenntnisse aus Mafeking. Er erkannte auch, dass sich nützliche Fähigkeiten am besten durch Spiel schulen liessen. Er nahm sich vor, sinnvoll gestaltete Spiele in sein geplantes Buch „Scouting For Boys“ einzubeziehen.
Wieder wurde Baden-Powell nach Afrika geschickt, diesmal um die südafrikanische Schutzpolizei auszubilden. Die berittenen Polizisten trugen einen breitrandigen Hut, ein Halstuch und ein Khakihemd – die spätere Tracht der Pfadfinder.
1903 wurde er in England zum Generalinspekteur ernannt. Er erhielt den Befehl, die Kavallerie neu zu organisieren. Diese Aufgabe beanspruchte ihn sehr lange, und erst als die Kavallerie seinen Vorstellungen entsprach, konnte er sich wieder seinem bevorzugten Thema, der Jugenderziehung, zuwenden.Bevor er aber zur Feder griff, wollte er eigene Erfahrungen sammeln. Zu diesem Zweck organisierte er ein Lager.
Er trommelte insgesamt 22 Jungen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten zusammen. Mit diesen 22 Jungen ruderte er im Sommer 1907 zur Insel Brownsea hinüber. Dort schlugen sie die Zelte auf. Baden-Powell berichtete später: „Der Trupp der Jungen wurde aufgeteilt in Patrouillen zu fünf Mann. Der älteste wurde Patrouillenführer. Diese Einteilung in kleine Gruppen war das Geheimnis unseres Erfolges.“ Jedem Patrouillenführer wurde volle Verantwortung für das Verhalten seiner Leute übertragen, und zwar für die ganze Zeit des Lagers. Die Patrouille war eine Einheit für Ausbildung, Arbeit und Spiel. Jede Patrouille lagerte an ihrem eigenen Platz. Die Jungen wurden bei ihrer Ehre verpflichtet, die angeordneten Dinge auch auszuführen. Verantwortlichkeit und gesunde Rivalität wurden auf diese Weise geweckt. Eine gute, grundlegende Ausbildung erfolgte jeden Tag für den ganzen Trupp, und so wurden alle fortschreitend in den Dingen des Pfadfindertums geübt. In ganz England sprach man vom Held von Mafeking, der ein Jugendlager veranstaltet hatte, in dem kein erzieherischer Zwang ausgeübt worden war.
In der Windmühle von Wimbledon verwirklichte er endlich seinen Plan und schrieb das Buch „Scouting for Boys“. Es erschien als Serie, Kapitel für Kapitel, in der Zeitung „The Scout“. Später wurde es, in viele Sprachen übersetzt, und zum grössten pädagogischen Werk unseres Jahrhunderts. Es war ein einfaches Buch, es war eine Erzählung, eine Plauderei am Lagerfeuer, behaglich und spannend erzählt. Baden-Powell erzählte von seinen Abenteuern in der Steppe und im Dschungel. Man erfuhr, wie man ein Feuer ohne Streichhölzer macht, wie man Entfernungen schätzt, Fährten von Tieren und Menschen deutet und verfolgt, Knoten bindet, wie man die Himmelsrichtungen ohne Kompass ermittelt und Erste Hilfe leistet. Er empfahl den Jungen, sich in kleinen Gruppen zusammen zu tun, täglich eine gute Tat zu leisten und immer hilfsbereit zu sein.
Baden-Powell organisierte 1909 ein Pfadfindertreffen in London. Unter den 11.000 Teilnehmern entdeckte er eine Schar Mädchen. Sie trugen auch eine Pfadfindertracht, kamen auf ihn zu und sagten: „Wir sind Girl Scouts, Mister Baden-Powell“. Baden-Powell war begeistert, dass sich seiner ursprünglich nur für Knaben gedachten Organisation auch Mädchen anschliessen wollten. Damals war eine Gemeinschaftserziehung von Mädchen und Knaben noch undenkbar, deshalb wurden sie sehr streng getrennt. Die Jungen zu den Boy Scouts und die Mädchen zu den Girl Guides.
Baden-Powell entschloss sich, sein Buch Scouting for Boys für die Interessen der Mädchen umzuschreiben. Seine Schwester Agnes half ihm dabei. Im Jahre 1912 heiratete Baden-Powell die 22jährige Olave St. Clair. Olave begeisterte sich für die Pfadfinderei und übernahm im Jahre 1916 die Führung der englischen Girl Guides.
Von einem schottischen Landedelmann erhielten die Pfadfinder 1919 den Gilwellpark in London. Dieser diente als Ausbildungszentrum für Scoutmaster (Pfadfinderleiter). 1920 veranstaltete BiPi das erste internationale Pfadfindertreffen (Jamboree) in London. In der Olympia Hall kamen 8.000 Pfadfinder aus 27 Ländern zusammen. Bei dieser Gelegenheit wurde Baden-Powell zum „Chief Scout of the World“ ausgerufen. Schon 1922 zählte die Pfadfinderbewegung über eine Million Mitglieder in 32 Ländern.
Die Pfadfinderinnen hatten inzwischen unter der Leitung von Olave Baden-Powell grosse Fortschritte gemacht. Auch sie erhielten zwei internationale Ausbildungszentren entsprechend dem Gilwellpark.
Am 8. Januar 1941 starb Baden-Powell. Er wurde auf dem Friedhof von Nyeri beerdigt. Auf dem Grabstein befindet sich ein Kreis mit einem Punkt darin. Es ist ein internationales Pfadfinderzeichen und es heisst: „Ich habe meinen Auftrag erfüllt und bin nach Hause gegangen“.
Lady Olave Baden-Powell starb am 26. Juni 1977.
Meine lieben Pfadfinder,
Ich bin achzig Jahre alt. Was haltet Ihr davon? Ich kann aber nicht sagen, daß ich mich älter fühle als einer von Euch. Ich wünsche Euch ein so glückliches Leben wie ich es gehabt habe. Ihr könnt es haben, wenn Ihr Euch gesund haltet und anderen helft. Ich will Euch mein Geheimnis verraten: In allem was ich tat, trachtete ich danach das Pfadfinderversprechen und -gesetz zu halten. Wenn Ihr dies tut, habt Ihr Erfolg im Leben und Glück. Auch wenn Ihr Achtzig seid wie ich. Ich wünsche Euch ein langes und glückliches Leben und viele gute Zeltlager.
An die Boy Scouts
Lieber Pfadfinder!
In dem Theaterstück ‚Peter Pan‘, das Ihr vielleicht kennt, ist der Piratenhäuptling stets dabei, seine Totenrede abzufassen, aus Furcht, er könne, wenn seine Todesstunde käme, dazu keine Zeit mehr finden. Mir geht es ganz ähnlich. Ich liege zwar noch nicht im Sterben, aber der Tag ist nicht ganz fern. Darum möchte ich noch ein Abschiedswort an Euch richten. Denkt daran, daß es meine letzte Botschaft an Euch ist, und beherzigt sie wohl. Mein Leben war glücklich, und ich möchte nur wünschen, daß jeder von Euch ebenso glücklich lebt.
Ich glaube, Gott hat uns in diese Welt gestellt, um darin glücklich zu sein und uns des Lebens zu freuen. Das Glück ist nicht die Folge von Reichtum oder Erfolg im Beruf und noch weniger von Nachsicht gegen sich selbst. Ein wichtiger Schritt zum Glück besteht darin, daß Ihr Euch nützlich erweist und des Lebens froh werdet, wenn Ihr einmal Männer sein werdet. Das Studium der Natur wird Euch all die Schönheiten und Wunder zeigen, mit denen Gott die Welt ausgestattet hat, Euch zur Freude. Seid zufrieden mit dem, was Euch gegeben ist, und macht davon den bestmöglichen Gebrauch. Trachtet danach, jeder Sache eine gute Seite abzugewinnen. Das eigentliche Glück aber findet Ihr darin, daß Ihr andere glücklich macht. Versucht, die Welt ein bischen besser zurückzulassen, als Ihr sie vorgefunden habt.
Wenn dann Euer Leben zu Ende geht, mögt Ihr ruhig sterben im Bewußtsein, Eure Zeit nicht vergeudet, sondern immer Euer Bestes getan zu haben. Seid in diesem Sinne ‚Allzeit bereit‘, um glücklich zu leben und glücklich zu sterben. Haltet Euch immer an das Pfadfinderversprechen, auch dann, wenn Ihr keine Knaben mehr seid.
Euer Freund Baden-Powell of Gilwell.
An die Girl Scouts und Girl Guides:
Liebe Pfadfinderinnen!
Dies ist mein Abschiedsbrief und somit das letzte Mal, daß ich zu Euch spreche. Vergeßt bitte, wenn ich nicht mehr bin, Eure Lebensaufgabe nicht, nämlich glücklich zu sein und glücklich zu machen.
Das ist so einfach! Ihr macht erst einmal andere Leute glücklich, indem Ihr Ihnen gutes tut. Über das Selber-Glücklichsein braucht Ihr Euch dann keine Gedanken mehr zu machen, denn dann kommt es von selbst.
Ihr werdet hart arbeiten müssen, aber der Lohn wird nicht ausbleiben. Wenn Eure Kinder gesund, unverdorben, und unternehmungslustig heranwachsen dürfen, werden sie glücklich sein. Und glückliche Kinder lieben ihre Eltern. Eine reinere Freude als die Liebe eines Kindes gibt es nicht. Ich bin überzeugt, daß Gott unser Glück in diesem Leben will. Wir dürfen auf einer Erde leben, die voller Schönheit und voller Wunder ist, und Gott versah uns nicht nur mit Augen, um das alles wahrzunehmen, sondern auch mit dem Verstand, diese ganze Pracht zu erfassen. Wir dürfen es nur nicht an der Einstellung fehlen lassen. (…)
Ihr werdet bald herausfinden, daß der Himmel nicht irgendein fernes Glück in den Wolken ist, das erst nach dem Tode kommt. Das Glück liegt in dieser Welt in Eurem Heim. So führt denn andere zum Glück und werdet selbst glücklich dabei. Wenn Ihr das tut, so erfüllt Ihr die Euch von Gott übertragene Aufgabe.
Gott mit Euch. Baden-Powell.